Neues von der Straßenbahn Darmstadt


Fahrgastzahlen: 2018 sind die Zahlen erneut gestiegen, um eine halbe Million auf nun 51,5 Mio Fahrten. Gleichzeitig meldet der Betrieb einen erhöhten Finanzbedarf an. Denn letztlich befinden sich das Netz und die Fahrzeuge mehr oder weniger auf dem Stand von 2004, kurz nach der Inbetriebnahme der Straßenbahnstrecke nach Kranichstein. Lediglich 2007 wurde mit den Straßenbahnen der Serie ST 14 der planmäßige Triebwagenbestand von 44 auf 48 erhöht. Dieses Plus wurde aber durch die späteren Verlängerungen der SL 6-8 in Arheilgen und Alsbach, sowie durch Taktverdichtungen aufgezehrt. Mit den stark angewachsenen Fahrgastzahlen und künftig notwendigen Angebotsausweitungen (z. B. zur Vermeidung von Autofahrverboten) ist der aktuelle Stand auf Dauer nicht mehr haltbar.

Die Heag hat dazu, auch im Rahmen der Erstellung des neuen Nahverkehrsplans, einen Mehrbedarf von etwa 6 bis 8 Mio EUR pro Jahr angemeldet, dem aber nur weitere Erlöse von etwa 2-3 Mio entgegenstünden. Dies liegt u. a. in der verstärkten Nutzung (und auch dem Angebot) günstigerer Zeitkarten als auch in weiteren Wegen, die innerhalb des RMV zurückgelegt würden. Damit sinkt automatisch der Anteil, den der Betrieb aus dem Verkauf der Tickets erhält. Schon 2018 ist das Defizit um 4,8 Mio EUR auf 33,5 Mio angewachsen.

Straßenbahn Wagenpark: Im August haben ST 13-Tw 9871 und SB 9-Bw 9452 eine neue Vollwerbung in orange bekommen. Beide Fahrzeuge tragen eine Eigenwerbung des Verkehrsbetriebs, der damit neue Mitarbeiter suchen will.

Ende des Jahres soll endlich der Zuschlag für die Bestellung der neuen Straßenbahnen ST 15 erteilt werden. Man hofft auf einen Einsatz ab 2022.

Direktvergabe: Die Heag bleibt Betreiber des Straßenbahnverkehrs in Darmstadt. Sie hat dazu den Auftrag erhalten, das Liniennetz ab Dezember für die nächsten 22,5 Jahre zu übernehmen.

Neues Liniennetz: Im Rahmen des neuen Nahverkehrsplans, als auch durch Vorgaben aus dem Luftreinhalteplan des Landes Hessens, wird das Liniennetz umgestaltet. Fast wie zu erwarten wurde nun doch beschlossen, die Schnellinie 6 einzustellen. Die Begründung hierzu ist allerdings mehr als fadenscheinig, denn das aufgeführte Hauptproblem, das Auflaufen auf andere Linien ist nur ein Nebenkriegsschauplatz. Wesentlich problematischer, auch für andere Linien, ist das ständige Zurückfahren einstmals funktionierender Vorrangschaltungen durch die Stadt Darmstadt, so daß sich die Fahrzeiten verlängern und damit die Verspätungsanfälligkeit enorm gestiegen ist. Ob der dann dichtere Takt auf den Grundlinien mehr Fahrgäste anlocken wird, ist noch offen. Insgesamt sieht das neue Konzept mehr Direktverbindungen zwischen den einzelnen Stadtteilen vor, so soll u. a. die SL 7 von Eberstadt kommend nicht mehr nach Arheilgen, sondern nach Kranichstein geführt werden und damit den nördlichen Linienast mit der SL 4 tauschen. Insgesamt soll die Verkehrsleistung um etwa 20% steigen.

Neubaustrecken: Um die Stichstrecke zur Lichtwiese doch noch zu verhindern, hat die örtliche Bürgerinitiative einen sehr durchschaubaren Versuch gestartet, mit einem alternativen Streckennetz eine "bessere Anbindung" vorzuschlagen. Der Vorschlag ist natürlich derart aufwendig und teuer, daß er keinerlei Chance auf eine Realisierung hätte und insbesondere nur Anwohnerinteressen gegeneinander ausspielt. Auf der Lichtwiesenstrecke selbst hat sich - bis auf die Bodensondierung und einige Arbeiten zur Verlegung von Leitungstrassen - noch nichts getan. Der offizielle Baubeginn wird für Oktober erwartet.

Das Stadtparlament hat erwartungsgemäß den oben genannten BI-Vorschlag mit den Stimmen der Regierungsmehrheit als unrealistisch abgelehnt. Am Rande der Abstimmung bekam die in der Opposition befindliche und ansonsten auch nicht als straßenbahnfreundlich bekannte SPD allgemeine Zustimmung für den Vorschlag eine weitere Neubaustrecke Richtung Heimstättensiedlung vorzubereiten.

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Am 7.8.2019 befährt ST 13-Tw 9869 auf der SL 3 während der Bauarbeiten an der Hst. Schloß die sonst linienmäßig nicht genutzte Schloßumfahrt. Das hier früher noch vorhandene Abstell- bzw. Überholgleis ist nach dem Umkehren der Schleifenrichtung und der Neugestaltung des Friedensplatz inzwischen auch verschwunden.

Darüber hinaus beschlossen die Parlamentarier, die Planungen für die Verlängerung der SL 3 in das ehemalige Kasernengelände und ggf. bis zur Hst. Marienhöhe der SL 7/8 beschleunigt voranzutreiben. Hier drängt die Zeit. Aufgrund externer Vorgaben müssen die ersten Wohnungen auf dem Gelände 2024 bezugsfertig sein. Damit müssen auch Infrastrukturarbeiten weitgehend zeitgleich erledigt werden. Der ambitionierte Zeitplan sieht daher vor, bis 2021 die Planung bis zur Einleitung des Genehmigungsverfahrens abzuschließen, bis 2022 Baurecht herzustellen und die Strecke 2025 in Betrieb zu nehmen. Im Rahmen der Planungen soll auch geprüft werden, ob es Alternativen zur vorgesehenen Wendeschleife an der Marienhöhe gibt, die vergleichsweise viel Waldfläche in Anspruch nimmt. So wird u. a. "nur" ein Gleisdreieck zur Anbindung an die Eberstädter Strecke untersucht werden, was dann allerdings die Durchbindung der SL 3 wahlweise nach Eberstadt oder zurück Richtung Innenstadt notwendig machen würde. Die Stadt wird für die Planung bis 2022 1,1 Mio EUR bereitstellen.

Ebenfalls könnte aufgrund der gesamten inakzeptablen Pendlersituation die seit Jahrzehnten geplante Straßenbahn in den Ostkreis wieder neuen Wind erhalten. Bislang arbeiteten Stadt und Landkreis hier eher gegeneinander und insbesondere die Gemeinde Roßdorf, obwohl Hauptnutznießer einer solchen Strecke, wehrt sich mit allerlei merkwürdigen Ausflüchten gegen den Bau. Das wesentliche Problem stellt jedoch die Förderfähigkeit dar. Da der Busverkehr in den Ostkreis bereits relativ gut ausgebaut ist (aber trotzdem weit über das Kapazitätslimit betrieb wird), würde sich mit einer Schienenanbindung nur eine solche Verbesserung ergeben, die in der Nutzen-Kosten-Analyse nicht den notwendigen Wert von 1,0 erreicht. Anders gesagt: Gäbe es bislang keine Busverbindung, würde eine Straßenbahnstrecke ei-nen vermutlich gigantischen NKU-Faktor erzielen und die Förderfähigkeit wäre sofort gegeben. Daher möchte man nun andere Möglichkeiten ausloten, doch an Fördergelder zu gelangen.

Und eine weitere kleine Neubaustrecke hat geräuschlos alle Hürden genommen: Am 6.8.2019 wurde für den Umbau des Abzweigs Frankfurter/Alsfelder Straße zum Gleisdreieck das Baurecht geschaffen. Der Gleisbogen von Arheilgen nach Kranichstein wird notwendig, um während der anstehenden Bauarbeiten in der Frankfurter Straße weiter in der Innenstadt einen Inselbetrieb zwischen den beiden nördlichen Stadtteilen einrichten zu können. Ob und wann diese Bauarbeiten kommen, ist angesichts der Wankelmütigkeit der Stadt Darmstadt offen. Denn just Ende August gab die Stadt bekannt, die ebenfalls dringend notwendigen Straßenarbeiten in der Karlstraße (und damit auch eine Erneuerung der Gleise und Verstärkung der Fahrleitung der SL 3) um drei Jahre auf 2023 zu verschieben.

Betrieb: In den Sommerferien wurde an mehreren Stellen im Streckennetz gebaut. An der Hst. Schloß wurde vom 13.7. bis 11.8.2019 das Pflaster durch eine Asphaltdecke ersetzt. Die den Streckenabschnitt passierenden Buslinien wurde abschnittsweise auf den Cityring verlegt. Die SL 3 konnte Richtung Hbf. regulär fahren, Richtung Lichtenbergschule wurde sie über die Schloßumfahrt umgeleitet. Die SL 9 fuhr nicht wegen Bauarbeiten am Böllenfalltor.

Über die gesamten Sommerferien wurden Gleise im Bereich des Btf. Böllenfalltor getauscht. Die SL 9 entfiel. Zwischen Böllenfalltor und Hbf. fuhr eine OL 9E. Die Strecke nach Griesheim wurde von der SL 4 bedient. Die bislang an der Ausfahrt des Btf. Böllenfalltor vorhandene einfache Kreuzungsweiche wurde ausgebaut und durch insgesamt drei normale Weichen, z. T. neu mit elektrischer Steuerung ersetzt. Zu-sätzlich wurde weiter in Richtung Stadion das bislang vorhandene Rasengleis abgetragen. Auf 3000 qm wurde stattdessen der Gleiskörper versuchsweise mit Sedumpflanzen versehen. Diese sollen widerstandsfähiger gegenüber Hitzeperioden und Wassermangel sein, nebenbei Nahrungsquelle für Insekten sein und ggf. auch noch Feinstaub binden. Durch den vom Netz abgetrennten Betriebshof mußten alle benötigten Fahrzeuge im Btf. Frankenstein untergebracht werden. Mehrere Reservefahrzeuge wurden außerdem im Museumsdepot Kranichstein abgestellt.

Am 21.8.2019 konnten die SL 4 und 9 zwischen 17 und 20 Uhr wegen einer Veranstaltung in Griesheim nur bis zur Wagenhalle fahren. Die Reststrecke zum Platz Bar-le-Duc entfiel.

Bus Airliner: Zum Abbau von Verspätungen durch den Fahrkartenverkauf erfolgt seit dem 2.9.2019 für etwa einen Monat testweise bei einigen Fahrten ein Verkauf direkt am Platz durch einen Schaffner.


Arbeitsgemeinschaft Historische HEAG-Fahrzeuge e. V.

Route der Industriekultur: Am 11.8. konnte der Btf. Böllenfalltor besichtigt werden, außerdem war das Depot Kranichstein geöffnet. Zwischen Schloß und Kranichstein pendelte ST 3-Tw 57 mit SB 6-Bw 182 im Stundentakt.


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18.03.2022